Nach der langen Pause, stelle ich nun einen echt grandiosen Krimi einer deutschen Schriftstellerin vor.
Der Märchenerzähler ist ein fesselndes Jugendbuch, welches nicht nur von einer deutschen Autorin veröffentlicht wurde, sondern auch auf deutschem Boden spielt.
Die Stadt, die in dem Buch charakterisiert wird, ist vermutlich Rostock, allerdings fällt der Name nicht direkt. Man bekommt nur einige wage, geographische Hinweise, dass die Ostseeküste nicht weit ist und man in unmittelbarer Nähe zu Rügen ist. Die Hauptcharaktere des Buches sind Abel und Anna, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Abel ist in der Schule nur unter seinem Nachnamen Tanatek oder als "polnischer Kurzwarenhändler" bekannt. Als Außenseiter, notorischer Schulschwänzer und Drogendealer bekannt, meiden ihn die meisten seiner Mitschüler. Die 17-jährige Anna platzt jedoch zufällig in sein chaotisches und gefährliches Leben und stellt alles auf den Kopf. Im Gegensatz zu Abel hat Anna immer ein behütetes Leben geführt, ihr Vater ist Arzt, ihre Mutter Dozentin für englische Literatur an der örtlichen Universität. Abel versucht sie nach Kräften aus seinem Leben heraus zu halten, aber sowohl durch Annas Hartnäckigkeit, sowie einige unglückliche Zufälle bewirken, dass Anna immer mehr in Abels Leben verwickelt wird. Sie lernt einen ganz anderen Abel kennen, einen sanften, traurigen Jungen, der sich liebevoll um seine kleine Schwester Micha kümmert, seit die gemeinsame Mutter spurlos verschwunden ist. Abel versucht seine kleine Schwester von den Geldproblemen und allem Bösen fernzuhalten. Deshalb erzählt er ihr ein wunderschönes Märchen, was auch Anna tief berührt. Sie verlieben sich ineinander und manchmal ist ihre Welt, obwohl sie doch so unterschiedlich ist, für einen kurzen Moment in Ordnung und sie können einander vertrauen. Doch plötzlich verschwimmen Realität und Phantasiewelt. Der leibliche Vater von Micha wird, nachdem er urplötzlich wieder aufgetaucht ist und Micha zu sich nehmen möchte, tot aufgefunden. Im Märchen gibt es eine Figur, die starke Ähnlichkeit mit Michas Vater hat. Was ist wenn das Märchen grausame Wirklichkeit ist? Die Ereignisse überschlagen sich und Anna wird in immer verworrenere Geschehenisse hineingezogen. Plötzlich liegt ein Lehrer von Abel und Anna im Krankenhaus, unterkühlt und im Koma, es ist unwahrscheinlich, dass er wieder aufwacht. Was ist da los?
Antonia Michaelis hat in ihrem Buch Der Märchenerzähler eine ergreifende, spannende und vor allem nachdenkliche Geschichte erzählt. Im Großen und Ganzen wird im Buch sehr stark auf die Schwächen des Sozialstaates Deutschland hingewiesen, durchaus realistisch sogar. Stress mit dem Jugendamt, zu wenig Stütze, die Drogen- und Alkoholsucht der verzweifelten Mutter, die einfach zu jung Mutter wurde um eine Zukunftsperspektive zu haben. All das erschafft eine realistische Welt, in die man sich als Leser hineinversinken lassen kann. Dazu kommt, dass der Stil der Autorin unheimlich toll ist. Sie schreibt kryptisch und flechtet Abels Märchen sehr gekonnt ein, sodass man die Realität und Phantasie wirklich verschwimmen sieht. Sie bringt genau den richtigen Touch Fantasy mit ein, lässt aber gleichzeitig das Hauptgenre nicht schleifen. Als Krimi ist Der Märchenerzähler wirklich mehr als gelungen. Abgesehen von den vielen Anspielungen auf die Pädophilie oder Prostitution einzelner Charaktere, ist ein undurchschaubare Handlung entstanden und zum Schluss ist man sehr überrascht zu erfahren, wer der "Böse" in dem Buch ist.
Allerdings muss ich mich persönlich (ebenso wie viele Kritiker im Netz) fragen, ob ich solch ein Buch als Jugendliteratur verkaufen wollte. Dazu ist mir die Handlung doch zu abstrakt, wie brutal, als das ich einem 14-Jährigen das zumuten wollte.
Mein Fazit: Ein wunderbarer Krimi - echt lesenswert!
Eure Michelle
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